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Moschusochsen im Schnee

FOTOTALK

„Drück auf den Auslöser solange die Gelegenheit gut ist.“

Thomas Sbampato und die Moschusochsen

Bilder erzählen immer eine Geschichte, auch wenn diese nicht immer offensichtlich erscheint. Was alles Unvorhersehbares hinter dieser Fotografie steckt, verrät Thomas Sbampato.

Ungefähr 50km vor der Prudhoe Bay im Norden Alaskas entdeckte ich zusammen mit meinem alaskanischen Freund und Beifahrer David Parkhurst eine Herde Moschusochsen. Wir waren müde von der ewigen Fahrt auf Schnee und Eis und nach ein paar schnellen Fotos fiel es uns leicht die Fotografenweisheit, drück auf den Auslöser solange die Gelegenheit gut ist, zu ignorieren. Wir wollten nur noch eines, zur Prudhoe Bay – im Hotel einchecken. Die Moschusochsen verschoben wir auf später.

Am nächsten Tag heulte der Nordwestwind, was die Warnstufe „Phase 2“ auslöste. Damit waren nur noch Fahrten im Konvoi erlaubt, worüber uns keiner informierte. Und so verließen wir mit meinem Ford F350 die Prudhoe Bay, um nur zwanzig Kilometer weiter im heulenden Blizzard neben einem kollabierenden Damm aus Schnee und Eis festzustecken. Tauwetter in der großen Brooks-Bergkette ließ den Sag River, der an der Nordflanke der Brookskette entspringt und bei Prudhoe Bay mündet, anschwellen, wodurch die vier Meter dicke Eisschicht darüber angehoben wurde.

Um die angrenzende Straße vor Überflutung zu schützen, wurde ein zehn Kilometer langer Damm auf der Fluss zugewandten Straßenseite aufgeschichtet. Der Sturm erhöhte den Druck auf den Damm, der endgültig drohte einzubrechen. In unserem Pick-up wollte trotz vorhandenem Arktis Survival Kit (Benzin für zwei Tage Standgas, Schlafsack, Kleider, Essen und Trinken) keine Gemütlichkeit aufkommen. Die Schneeverwehungen vor und hinter uns türmten sich so schnell auf, dass nach nur wenigen Minuten, selbst mit meinem vier Tonnen Pick-up-Truck, an ein Durchkommen nicht mehr zu denken war. Aber ich hatte Glück im Unglück. Etwa eine Stunde später erkannten wir die schemenhaften Umrisse eines Sattelschleppers auf uns zukommen, übrigens der Letzte, der es für viele Tage ins Camp schaffen sollte. Der Fahrer kurbelte die Scheibe runter und schrie durch den heulenden Sturm, dass wir ihm entweder folgen oder bei ihm einsteigen sollten. Stehen bleiben konnten wir nicht, denn Wasser kam an einigen Stellen schon über die Straße geschossen, bei minus 40°C wurde die Lage immer ungemütlicher. Ich legte den Rückwärtsgang ein, und rammte mit voller Wucht den Damm. Scheiß auf die Karre, ich musste raus hier. In Millimeterarbeit drehte ich das sieben Meter lange Ungetüm und fuhr dem 60 Tonnen Sattelschlepper, der die meterhohen Schneeverwehungen durchboxte, hinterher.

Zwei Tage später hatte sich der Sturm gelegt. Der Damm war geborsten und der Fluss hatte die Straße geflutet. Die Crew arbeitete fünf Tage nonstop daran, den Highway notdürftig zu reparieren. Am sechsten Tag wurde der Dalton Highway für einige Stunden geöffnet und mitten in einem Konvoi von 80 Sattelschleppern tuckerten wir im Schritttempo über eine eisige Trasse, die teilweise bis zu einem halben Meter unter den Fluten verschwand. Ein Wasserspritzer an den heißen Motorblock wäre bei minus 40°C das Ende der Maschine gewesen.

Zwei Stunden später lag die Odyssee hinter uns.Bis zu meinem Abflug in Anchorage blieben noch zwei Tage für 1300 km Eis- und Schneebedeckte Piste, für Moschusochsen hatte ich da keine Zeit mehr. Übrigens, der Dalton Highway wurde nur zwei Tage später auf hundert Kilometer Länge vom Sag River überspült und erst im Juni wieder geöffnet. Alaska rief den Katastrophenzustand für die Region aus.

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